Die größten Knackpunkte im Praxismanagement

Im September wollten WIR-Tester-Club-Mitgliedern wissen, welche Knackpunkte und Fehlerquellen Sie im Praxismanagement sehen. Dank Ihrer zahlreichen Teilnahmen sind sehr interessante Ergebnisse zutage gekommen, und eines kurz vorab: So individuell die meisten Praxen auch sind, die Probleme im Praxisalltag sind bei vielen gleich. Hier haben wir für Sie die (negativen) Highlights zusammengestellt.

Positiv fällt auf, dass sich die meisten Praxen der zunehmenden Digitalisierung nicht verschließen und den Fortschritt und die Etablierung digitaler Helferlein im Praxisalltag nutzen. Dieses Bild war vor ein paar Jahren noch komplett anders. Interessant dabei ist, dass Sie jedoch die Umsetzung digitaler Arbeitsweisen und die Integration solcher Systeme für den entscheidenden Knackpunkt halten.

Hier seien Sie aber unbesorgt. Ihnen geht es so wie vielen Branchen vor vielen Jahren.

Was ist eigentlich digitales Arbeiten?

Digitales Arbeiten unterstützt, automatisiert und erleichtert tägliche Arbeitsprozesse. Doch nicht selten passiert es, dass Mitarbeiter bei der Implementation der Arbeitsabläufe nicht richtig geschult oder nicht genügend unterstützt werden. Hierdurch werden viele Arbeitsschritte häufig weiterhin doppelt erledigt, da Programme meist für die breite Masse, aber selten für die individuellen Ansprüche einer einzelnen Praxis entworfen werden. Des Weiteren muss auch jeder wissen, wie die Programme funktionieren, und jeder Wissensstand im Team berücksichtigt werden.

Digitales Arbeiten im Arbeitsalltag

Es ist wichtig, dass alle in der Praxis an einem Strang ziehen. Hier merkt man, dass sich die fünf einzelnen Themenfelder (fehlende Integration digitaler Technik in den Praxisalltag (inkl. Schulungen), Kommunikation und Verantwortlichkeiten, Arbeitsabläufe und deren Koordination, Zeitmanagement sowie Patientenverhalten) nicht isoliert betrachten lassen. Viele Aspekte greifen ineinander und der eine oder andere ist vielleicht auch nur ein Symptom eines viel tiefer sitzenden Problems.

Die Grundlage für effiziente Arbeitsabläufe ist nicht die Anschaffung neuer Technik oder die Einstellung von mehr Personal, sondern vor allem deren Koordination und Kommunikation. Entsprechend wird deutlich, dass die herausgearbeiteten Themenfelder „fehlende Integration digitaler Technik in den Praxisalltag (inkl. Schulungen)“, „Kommunikation und Verantwortlichkeiten“ sowie „Arbeitsabläufe und deren Koordination“ hier stark miteinander verknüpft sind.

Bedienen wir uns eines Beispiels aus der Industrie. In den meisten Betrieben ist Standard, dass es für jeden Arbeitsprozess eine Tätigkeitsbeschreibung gibt, wie auch in vielen Zahnarztpraxen. Hierdurch lassen sich Verantwortlichkeiten innerhalb des Ablaufs festlegen. Es zeigt einem direkt auf, wo Absprachen fehlen oder sich Automatismen eingeschlichen haben, die dazu führen, dass Aufgaben teilweise doppelt oder umständlich erledigt werden. Erst wenn man sich einen allgemeinen Überblick verschafft hat, ist es möglich zu schauen, wie digitale Technik weiterhelfen kann oder sogar neue Möglichkeiten aufzeigt.

Einer der wichtigsten Punkte ist eine offene und transparente Kommunikation. Dies gilt wie in so vielen Gebieten vor allem in der Ausführung neuer Arbeitsschritte. Hier muss mit besonderer Fürsorge und Nachsicht auf die Fragen jeder einzelnen Person eingegangen werden. Folgerichtig ist die Einführungsphase entscheidend: Wird eine breite Akzeptanz herbeigeführt oder muss die intrinsische Motivation jedes Einzelnen mit Nachdruck geweckt werden? Man merkt schnell, dass neue Prozesse und Arbeitsweisen niemals eindimensional vorgegeben werden sollten, sondern sich im Diskurs mit klarem Ziel stetig weiterentwickeln.

„Man kann nicht nicht kommunizieren“

Dieses bekannte Zitat von Paul Watzlawick ist ein perfekter Ausgangspunkt, um fehlenden Austausch oder ineffiziente Kommunikationswege aufzudecken und die Probleme, die sich hieraus entwickeln, genauer zu beleuchten.

Wenn Abläufe nicht klar kommuniziert werden, nicht eindeutig geklärt ist, wer für was verantwortlich ist, oder sich nicht an Absprachen gehalten wird, impliziert dies Missmut und bekommt schnell eine persönliche Ebene. Was ist damit gemeint? Dieser Missmut ist kurzfristig ausblendbar. Das Bild eines Schnellkochtopfs ist hier zweckdienlich: Sich ansammelnder Unmut ist vergleichbar mit dem steigenden Druck des kochenden Wassers, das aus dem Gefäß zu entweichen versucht.

Wichtig ist daher auch für die Etablierung neuer Prozesse und Arbeitsabläufe ein breites Engagement und der Wille, transparent über Fehler und Optimierungs- möglichkeiten zu sprechen. Wenn Absprachen nicht eingehalten werden, sollte dies thematisiert werden können. Nur dann haben neue Prozesse die Chance, Zustimmung innerhalb des Praxisteams zu erfahren.

Die Zeit und der Patient

Wenn sich nicht an Absprachen gehalten wird, ist dies nicht nur ärgerlich. Wenn zudem das Zeitmanagement der Praxis aus den Fugen gerät und Patienten hier aktiv mithelfen, indem sie zu spät, unangekündigt oder unvorbereitet erscheinen, kann sich der Arbeitstag ewig in die Länge ziehen. Leider gibt es auch hier kein einfaches Allheilmittel, das für jede Praxis zutreffend ist. Es ist vielmehr eine Vielzahl an kleinen Schrauben, die man in der Feinmechanik der Praxisorganisation verstellen kann, um in Summe das Ziel eines geordneten und effizienten Ablaufs in der Praxis zu gewährleisten.

Als Beispiel möchte ich den Aspekt der Patientenkommunikation herausgreifen. Hier gibt es die Möglichkeit (natürlich unter der Berücksichtigung der datenschutzbezogenen und regulatorischen Anforderungen an eine Praxis), Patienten über Messenger (wie bspw. olmogo S3) sicher zu kontaktieren und an Termine zu erinnern, Daten im Vorhinein auszutauschen und entsprechende Unterlagen sicher an Labore, Apotheken und den Patienten selbst zu versenden. Faxe, Mails, Briefe etc. sind häufig ein nicht zu unterschätzender Zeitfaktor, der in Summe mehrere Arbeitsstunden pro Woche benötigt.

Das Praxisteam

In der Umfrage stellte sich heraus, dass in 60% der Praxen mindestens eine personelle Änderung pro Jahr stattfindet. In über 30% sogar weit mehr. Dies hat zur Folge, dass Absprachen neu getroffen werden müssen, ein Team sich immer wieder neu finden muss und die einzelnen Arbeitsschritte, wie viele kleine Zahnräder in einem Uhrwerk, erst wieder neu sortiert werden müssen. Unabhängig davon, ob Arbeitsabläufe festgelegt sind oder Tätigkeitsbeschreibungen bestehen, geht hier jedes Mal viel Wissen über die Praxisorganisation verloren. Im Besonderen, wenn von diesen Personen einzelne Aufgaben stillschweigend, manchmal schon seit Jahren, ausgeübt wurden.

Es zeigt sich in der Praxis, dass viele der Stellschrauben von Praxen dann richtig erkannt und gemeinsam angegangen werden, wenn ein Praxisteam über Jahre zusammenarbeitet und offen über Neuerungen und Probleme diskutiert, Einzelne unterstützt und ermutigt werden, die bspw. geringe IT-Erfahrung haben, und Chef und Team offen für neue Gestaltungen sind. Dies bedeutet nicht immer, dass alle neuen Dinge auf Anhieb funktionieren oder stets den gewünschten Effekt haben, aber solange man offen für neue Ideen ist und eine gewisse Fehlerkultur etabliert, findet man über kurz oder lang die für die eigene Praxis richtigen Lösungen.